12. Welche Untersuchungen sind erforderlich, um eine Schlafapnoe festzustellen ?

I. Befragung
Zunächst wird auch der Spezialist eine gezielte Befragung durchführen, um anhand Ihrer Beschwerden zum einen auf die mögliche Erkrankung zu schließen (da es viele verschiedene Erkrankungen gibt, die zu Schlafstörungen führen) und zum anderen auch die Schwere Ihrer Erkrankung einzuschätzen.

Denn ob man eine Schlafstörung behandeln muss, hängt unter anderem vom Ausmaß der Beeintächtigung ab. Es läßt sich leicht vorstellen, dass der Arzt einen Patienten mit nur relativ wenigen Atemaussetzern in der Nacht, der aber tagsüber kaum noch leistungsfähig ist, weil er ständig einschläft, behandeln wird, während er einen anderen Patienten mit einer größeren Anzahl von Atemaussetzern, der überhaupt keine Beschwerden außer seinem Schnarchen hat, nicht behandeln wird.
Die Notwendigkeit einer Behandlung hängt also nicht allein von der Anzahl der Atemaussetzer pro Nacht ab, sondern auch von anderen Faktoren (siehe Kapitel 17. „Wann behandelt man Schlafapnoe?“).
Deshalb gehört die Therapie-Entscheidung in die Hände von erfahrenen Spezialisten.

II Schlaf-Fragebögen
Als zweiter Schritt wird oftmals ein spezieller Schlaf-Fragebogen verteilt, anhand dessen der Patient seine Beschwerden auf einer Skala einordnen muss.So ein Fragebogen sieht zum Beispiel folgendermaßen aus:

Beispiel A: 

Sehr geehrte Patientin, sehr geehrter Patient,
zur Abklärung Ihres Befundes ist es erforderlich, die folgenden Fragen vollständig zu beantworten, indem Sie das jeweils zutreffende Kästchen ankreuzen. Bei den Fragen zum Schlafverhalten bitten wir Sie, sich auf den Zeitraum der vergangenen 4 Wochen zu beziehen.
1. Sind Sie tagsüber müde?
    1             2             3             4             5
nie       selten  gelegentlich  oft       sehr oft
2. Schlafen Sie tagsüber spontan ein?
    1             2             3             4             5
nie       selten  gelegentlich  oft       sehr oft
3. Fällt es Ihnen schwer, lange konzentriert zu bleiben?
    1             2             3             4             5
nie       selten  gelegentlich  oft       sehr oft
4. Kommt es vor, dass Sie 

     – abends schlecht einschlafen?
    1             2             3             4             5
nie       selten  gelegentlich  oft       sehr oft
     – mitten in der Nacht aufwachen?
    1             2             3             4             5
nie       selten  gelegentlich  oft       sehr oft
     – früher als gewöhnlich aufwachen, ohne wieder einzuschlafen?
    1             2             3             4             5
nie       selten  gelegentlich  oft       sehr oft
5. Spüren Sie nachts eine oder mehrere der folgenden Beschwerden? (Mehrfachnennungen möglich) 

     – Herzstolpern, Herzrasen

    1             2             3             4             5
nie       selten  gelegentlich  oft       sehr oft

     – Nassgeschwitzt sein

    1             2             3             4             5
nie       selten  gelegentlich  oft       sehr oft

     – Atemnot/Erstickungsgefühle

    1             2             3             4             5
nie       selten  gelegentlich  oft       sehr oft

     – Kopfschmerzen

    1             2             3             4             5
nie       selten  gelegentlich  oft       sehr oft

     – längere Hustenanfälle

    1             2             3             4             5
nie       selten  gelegentlich  oft       sehr oft

     – lang anhaltender Druck oder Beklemmung im Brustraum oder Oberbauch

    1             2             3             4             5
nie       selten  gelegentlich  oft       sehr oft

6. Müssen Sie nachts Wasser lassen?

    1             2             3             4             5
nie       selten  gelegentlich  oft       sehr oft

7. Sind abends Ihre Beine angeschwollen?

    1             2             3             4             5
nie       selten  gelegentlich  oft       sehr oft

8. Sind Sie durch Luftnot in Ihrer Belastbarkeit eingeschränkt?

 

     – wenn Sie schwere körperliche Arbeit verrichten?

    1             2             3             4             5
nie       selten  gelegentlich  oft       sehr oft

     – wenn Sie leichte körperliche Arbeit verrichten?

    1             2             3             4             5
nie       selten  gelegentlich  oft       sehr oft

     – wenn Sie keinerlei körperliche Arbeit verrichten?

    1             2             3             4             5
nie       selten  gelegentlich  oft       sehr oft

9. Hat Ihr Partner Atemstillstände bei Ihnen bemerkt?

    1             2             3             4             5
nie       selten  gelegentlich  oft       sehr oft
10.  Schnarchen Sie laut und unregelmäßig?
    1             2             3             4             5
nie       selten  gelegentlich  oft       sehr oft
 11.  Erwachen Sie morgens frisch und ausgeruht?
    1             2             3             4             5
nie       selten  gelegentlich  oft       sehr oft
12. Nehmen Sie Schlafmittel?
    1             2             3             4             5
nie       selten  gelegentlich  oft       sehr oft
Beispiel B:
Epworth Schläfrigkeitsskala 

Liebe Patientin, lieber Patient!
Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass Sie während der folgenden Tätigkeiten einschlafen oder einnicken? Hiermit ist gemeint, dass Sie sich nicht nur müde oder erschöpft fühlen. Die Angaben beziehen sich auf die letzten zurückliegenden Tage. Selbst wenn Sie diese Tätigkeiten in letzter Zeit nicht durchgeführt haben, überlegen Sie sich bitte, wie sie sich ausgewirkt hätten. Benutzen Sie bitte folgende Einteilung,  indem Sie die am besten passende Zahl ankreuzen. 

 0 = würde nie dabei einnicken oder einschlafen
1 = geringe Wahrscheinlichkeit, dabei einzunicken
2 = mittelmäßige Wahrscheinlichkeit, dabei einzunicken
3 = hohe Wahrscheinlichkeit, dabei einzunicken
 

Tätigkeit oder Situation

 Wahrscheinlichkeit einzunicken
Sitzen oder Lesen

      0         1         2         3       

Fernsehen

      0         1         2         3       

Ruhig Sitzen in der Öffentlichkeit(Theater, Sitzung, Wartezimmer)

      0         1         2         3       

Eine Stunde Mitfahrt im Auto ohne Pause

      0         1         2         3       

Liegen am Nachmittag um auszuruhen, wenn die Umstände es erlauben

      0         1         2         3       

Sitzen und dabei mit jemandem Sprechen

      0         1         2         3       

Ruhig Sitzen nach einem Essen ohne Alkohol

      0         1         2         3       

Im Auto bei einem mehrminütigen Halt im Verkehr

      0         1         2         3       


III Schlaftagebuch
In Schlaf-Tagebücher trägt der Patient zu einem vorgegebenen Zeitpunkt von 1 bis 4 Wochen täglich seine Ruhezeiten, Bettzeiten und empfundene Schlafzeiten ein.
Darüber hinaus muss registriert werden, wie der Patient den Tag und die Zeit vor dem Zubettgehen verbracht hat (Arbeiten, Nikotin- und Alkoholgenuß, Medikamenteneinnahme, Sex, Geräuschbelästigung usw.).
Weiterhin soll registriert werden, wie oft und wie lange der Patient seiner Meinung wach lag und was er getan hat, wenn er nicht einschlafen konnte.

Aus diesen Aufzeichnungen läßt sich erkennen

  • welcher Art die Schlafstörung ist,
  • welchen Umfang die Schlafstörung hat,
  • welche Änderungen des Schlafes in Abhängigkeit von den Tätigkeiten am Tage auftreten,
  • welche Änderungen des Schlafes in Abhängigkeit von den Umwelteinflüssen auftreten.
IV Erhebung der Vorgeschichte
Auch in der Schlafmedizin gehören die sorgfältige Erhebung der übrigen Erkrankungen eines Patienten sowie eine allgemeine körperlich-klinische Untersuchung dazu.
Einige internistische Krankheitsbilder (zum Beispiel Schilddrüsen-funktionsstörungen, Störungen der Mineralstoffe im Körper (z.B. Magnesiummangel), Herzschwäche, Schlaganfälle) führen zu Schlafstörungen (siehe Kapitel 18. „Welche anderen Krankheiten außer einem Schlafapnoe-Syndrom kommen noch als Ursache von Schlafstörungen in Frage ?“).

V Schlafapnoe-Monitoring (sogenannte „Polygraphie“, häufig „Schlafapnoe-Screening“)
Bei der Polygraphie bekommt der Patient ein etwa Handy-großes Gerät mit nach Hause, welches er entsprechend der vorherigen ärztlichen Anleitung vor dem Zubettgehen selbst anlegt und am nächsten Morgen zurück in die Praxis bringt.
Dieses Gerät misst je nach Hersteller unterschiedlich viele Körperfunktionen (Parameter), sollte aber mindestens folgende verschiedene Parameter aufzeichnen können:
  1. Atemfluss (mittels Thermistor=Temperaturfühler oder alternativ den etwas aussagekräftigeren Atemstaudruck (mittels Plastikkanüle, welche vor den Nasenöffnungen plaziert wird  und eine semiquantitative Bestimmung der Atemflussmenge zuläßt)
  2. Sauerstoffsättigung im Blut (mittels Pulsoxymeter am Finger)
  3. Brustkorbbewegung (mittels Impedanzmessung über EKG-Elektroden, Dehnungsmessgurte oder sog. Piezosensoren)
  4. Herzfrequenz (mittels Pulsoxymeter)
  5. Körperlage (mittels Lagesensor)
  6. Schnarchen (mittels Mikrofon)

Einige Geräte enthalten aber auch die Möglichkeit weitere Signale wie Beinbewegungen, Elektrokardiogramm (EKG) oder Elektroenzephalogramm (EEG) mitaufzuzeichen. Damit ist eine der großen Polysomnograpie im Schlaflabor vergleichbare Messung auch zu Hause am Patientenbett möglich.

Der Arzt kann so am nächsten Morgen sämtliche Daten ausdrucken und Schnarchen, Atemaussetzer, Sauerstoffentsättigungen des Blutes, die Körperlage sowie nächtliche Herzrhythmusstörungen feststellen.

Eine Messung der Hirnströme (EEG) und somit eine Messung der Schlafqualität ist jedoch derzeit nur mit wenigen Geräten möglich.
Allerdings gibt es seit wenigen Jahren ein Zusatzgerät („QUISI“), welches zur Hirnstrommessung zu Hause genutzt und mit anderen Systemen kombiniert werden kann. Dieses findet aufgrund der fehlenden Abrechnungsmöglichkeit und der eingeschränkten Möglichkeit zur Datenkontrolle nur weing Anwendung, so dass die Hirnstrommessung zur Schlafstadienbestimmung heutzutage immer noch fast ausschließlich im Schlaflabor stattfindet.

Zeigt sich in der Polygraphie ein krankhafter Befund, so wird der Patient in der Regel an ein Schlaflabor überwiesen, in dem dann eine große Schlaflabor-Untersuchung (sogenannte „Polysomnographie“) durchgeführt wird.

VI Große Schlaflabor-Untersuchung (sogenannte „Polysomnographie“)
Das Schlaflabor ist ein hochtechnisierter Ort.
Der Patient wird dort von den Schlaflabormitarbeitern aufwendig verkabelt (alleine die Verkabelung dauert zwischen 30 und 45 Minuten pro Patient) und während der gesamten Nacht direkt oder über eine Videokamera aus einem Kontrollraum beobachtet.
 

Die Anschaffung eines Schlaflabormessplatzes für einen einzigen Patienten kostet je nach Ausrüstung zwischen  25.000.- und 100.000.- €.Gemessen wird in der Regel von ca. 22.00 Uhr bis ca. 6.00 Uhr morgens.

Schlaflabore haben zwischen 2 und 30 Meßplätze und entsprechend 1 bis 6 Mitarbeiter in einer Nachtschicht. Die Durchschnittsgröße eines Schlaflabors in Deutschland lag im Jahr 2001 bei 6 Plätzen.

Gemessen werden üblicherweise mindestens 11 verschiedene Körperfunktionen (Parameter):
  1. Atemfluss (mittels Thermistor, Staudruckmessung oder Pneumotachograph)
  2. Sauerstoffsättigung (mittels Pulsoxymeter)
  3. Brustkorbbewegung (mittels Dehnungsmessgurt)
  4. Bauchbewegung (mittels Dehnungsmessgurt)
  5. Herzfrequenz (mittels EKG)
  6. Körperlage (mittels Lagesensor)
  7. Schnarchen (mittels Mikrophon)
  8. Hirnströme (mittels EEG-Elekroden)
  9. Augenbewegungen (mittels Elektrookkulogramm, EOG)
  10. Muskelanspannung (mittels Kinn-Elekromyogramm, EMG)
  11. Beinbewegungen (mittels Bein-Elektromyogramm, EMG)     
Mit Hilfe dieser Daten, die alle vom Computer aufgezeichnet werden, lassen sich Schlafstörungen wie auch Atemstörungen sehr gut feststellen.
Wenn eine Therapie erforderlich ist, wird diese im Regelfall in der folgenden Nacht eingeleitet. Hierbei wird erneut die gesamte Verkabelung durchgeführt, um direkt den Erfolg der Therapie z. B. durch Normalisierung der Schlafstruktur, überprüfen zu können (siehe Kapitel 18. „Wie behandelt man ein Schlafapnoe-Syndrom?“).


VII Testungen des Wachheitsgrades (Vigilanz-Teste)
Um festzustellen, wie schläfrig ein Patient tagsüber ist, können verschiedene Testungen angewendet werden, bei denen der Patient tagsüber an die Hirnstrommessung angeschlossen wird. So können im Anschluss an eine Meßnacht im Schlaflabor folgende Testungen erfolgen:
  1. MSLT (Multipler Schlaf-Latenz-Test) 

    Der Patient legt sich ca. 1,5 -3 Stunden nach dem morgendlichen Aufstehen in einen geräuschlosen, abgedunkelten Raum, wird verkabelt und aufgefordert, dann zu schlafen.
    Die Messung wird beendet, wenn der Patient 20 Minuten lang nicht eingeschlafen ist, spätestens aber 15 Minuten nach Einschlafbeginn.
    Es werden 4-5 Messungen im Abstand von 2 Stunden durchgeführt.
     

    Normalerweise schläft ein Mensch nach 10 bis 20 Minuten in einer solchen reizarmen Umgebung ein.
    Auffällig ist eine durchschnittliche Einschlafzeit innerhalb der ersten 10 Minuten,  krankhaft kann eine durchnittliche Einschlafzeit von weniger als 5 Minuten sein.
    Auch zeigt dieser Test ob nach Einschlafbeginn frühe REM-Schlafphasen auftreten. Diese kommen gehäuft bei der Narkolepsie, einer besonderen Schlafstörung aus dem epileptischen Formenkreis vor.
     

  2. MWT (Maintenance of Wakefulness Test) 

    Der Patient setzt sich halb zurückgelehnt in einen bequemen Sessel in einen geräuschfreien, abgedunkelten Raum, wird verkabelt und  dann aufgefordert, wach zu bleiben.
    Die Messung wird beendet, sobald der Patient eingeschlafen ist, spätestens aber nach 40 Minuten.
    Es werden 4 Messungen im Abstand von 2 Stunden durchgeführt.
     

    Normalerweise schläft ein Mensch trotz einer solchen reizarmen Umgebung nicht ein, wenn er unbedingt wach bleiben will.
    Auffällig ist ein Einschlafen innerhalb von 20 Minuten, je früher, desto ausgeprägter ist der Schlafdrang und somit die Erkrankung.
     

  3. Fahrsimulator 

    Diese Testung ist insbesondere zur Beurteilung der Schläfrigkeit bei Berufskraftfahrern sinnvoll. Hierbei versucht der Patient in einem abgedunkelten Raum, sitzend an einem Autofahrsimulator, den virtuellen Straßenverlauf auf einem Bildschirm zu verfolgen und ein virtuelles Auto mittels Lenkrad auf der Fahrbahn zu halten. Unregelmäßig auftretende Signale müssen beantwordet werden. Der Computer registriert hierbei die Reaktionszeiten, die Fehlerrate und die Fahrbahnabweichungen. Die Untersuchung wird auch zur Begutachtung der Fahrtauglichkeit von Kraftfahrern mit Schlafstörungen genutzt.
     

  4. Aufmerksamkeits- und  Konzentrationsteste 

    Es existieren unterschiedliche psychologische Testverfahren (z.B. computergestützt oder in Fragebogenform ) mit deren Hilfe Aussagen zu Aufmerksamkeitsleistungen oder Konzentrationsleistungen getroffen werden können.


VIII  zusätzliche Untersuchungen
Bei bestimmten schlafmedizinischen Fragestellungen (z.B. zur Epilepsie-Diagnostik) sollten Patienten in einer neurologischen Abteilung mit neurologisch orientiertem Schlaflabor vorgestellt werden, um dort eine spezielle Diagnostik (z. B. 24 Stunden-EEG, Schlafentzugs-EEG) zu erhalten.