19. Gibt es neben Bronchialkarzinomen und Lungenmetastasen noch andere Lungentumoren und wie werden diese festgestellt und behandelt ?

A Bösartige Tumoren
1. Pleuramesotheliom
Das Pleuramesotheliom ist ein bösartiger bindegewebiger („mesenchymaler“) Tumor, der nicht direkt aus Lungen- oder Bronchialgewebe, sondern aus Zellen des Rippenfells entsteht.
Er unterscheidet sich vom Lungenkrebs (dem Bronchialkarzinom) durch
  1. eine unterschiedliche Erkrankungsentstehung
  2. ein unterschiedliches Wachstumsverhalten
  3. eine unterschiedliche Lebenserwartung
  4. eine unterschiedliche Therapie.
Deutlich größer als beim Bronchialkarzinom ist der Einfluss von Asbest. Der überwiegende Anteil von Pleuramesotheliomen ist auf die schädigende Einwirkung von Asbestfasern zurückzuführen. Daher gilt es als Signaltumor für Asbestkontakt, selbst wenn die Quelle der Asbestexposition unklar bleibt.
Der Tumor entwickelt sich sehr spät, oft erst 30-40 Jahre nach der Asbestexposition.
Auf Grund dieser langen Latenzzeit ist mit einer kontinuierlichen Zunahme der  Pleuramesotheliome bis etwa zum Jahr 2015 zu rechnen, da noch bis etwa 1980 steigende Mengen von Asbest in den entsprechenden Berufszweigen verwendet wurden.
Strahlung und genetische Faktoren sind selten Auslöser der Erkrankung, Rauchen spielt vermutlich keine Rolle.
Die Symptome eines Pleuramesothelioms sind vergleichbar mit denen eines Bronchialkarzinoms, am häufigsten sind Schmerzen im Brustwandbereich und Luftnotdurch einen begleitenden Rippenfellerguss.
Im Rahmen der Diagnostik kommen ebenfalls die gleichen Methoden zur Anwendung wie beim Bronchialkarzinom, die entscheidende diagnostische Methode zur Sicherung des Gewebetyps ist aber nicht die Bronchoskopie, sondern die Rippenfellpunktion mit Biopsieentnahme bzw. die Rippenfell-Spiegelung (Thorakoskopie) mit Biopsieentnahme.
Hinsichtlich des Gewebetyps unterscheidet man
  1. epitheliale Pleuramesotheliome
  2. sarkomatöse Pleuramesotheliome
  3. gemischförmige Pleuramesotheliome

Epitheliale Pleuramesotheliome haben eine günstigere Prognose.

Pleuramesotheliome wachsen oftmals flächig entlang des Rippenfells und greifen auf das Mediastinum, das Zwerchfell und die Brustwand über. Fernmetastasen sind dagegen selten.
Auch das Pleuramesotheliom wird gemäß TNM-Stadium nach UICC eingeteilt:
                TNM-KLASSIFIKATION 
  TUMOR
T1  Tumor begrenzt auf das gleichseitige Rippenfell (ipsilaterale parietale und/oder viscerale) Pleura
T2 Einwachsen des Tumors in die Brustwandfaszie / das Zwerchfell /den Herzbeutel / die gleichseitige Lunge
T3 Einwachsen des Tumors in die gleichseitige Brustwandmuskulatur / die Rippen / das Mediastinum
T4 Einwachsen des Tumors in das gegenseitige Rippenfell / die gegenseitige Lunge / das Bauchfell Bauchorgane / Halsstrukturen
  LYMPHKNOTEN
N0 kein Lymphknotenbefall
N1 Befall von Lymphknoten entlang der Bronchien und/oder Hiluslymphknoten auf der betroffenen Seite (ipsilateral)
N2 Befall von Lymphknoten im Bereich des Mittelfells auf der betroffenen Seite (ipsilaterale mediastinale Lymphknoten)
N3 Befall von Lymphknoten im Bereich des Mittelfells oder des Hilus auf der gegenüberliegenden Seite (kontralaterale mediastinale / hiläre Lymphknoten) / Befall von Lymphknoten oberhalb des Schlüsselbeines (supraklavikuläre Lymphknoten)
  METASTASEN
M0 Keine Fernmetastasen nachweisbar
M1 Fernmetastasen nachweisbar
Ausgehend von der angeführten TNM-Klassifikation findet dann die Zuordnung zu den einzelnen Tumorstadien wie folgt statt:
STADIENEINTEILUNG
Stadium Tumor Lymphknoten Metastasen
I T1
T2
N0 M0
II T1
T2
N1
N1
M0
M0
III T1
T2
T3
N2
N2
N1
M0
M0
M0
IV T4
Jedes T
Jedes T
Jedes N
N3
Jedes N
M0
M0
M1
Ebenfalls geläufig ist die Stadieneinteilung nach Butchart, die hier nicht explizit aufgeführt wird.
Die Therapie besteht nach Möglichkeit in einer Operation, der sogenannten radikalen Pleuro-Pneumonektomie. Auf Grund des Umfanges dieses Eingriffs (Entfernung von einem Lungenflügel samt umgebendem Rippenfell und gleichseitigen mediastinalen Lymphknoten sowie oftmals noch Anteilen der Brustwand, der Rippen, des Zwerchfells und des Herzbeutels), dem erheblichen Komplikationsrisiko und der trotzdem noch hohen Rezidivrate wird er nur selten durchgeführt.
Als Operationsvoraussetzungen sind heutzutage weitgehend anerkannt:
  1. Epitheloider Gewebetyp
  2. Patient unter 50 Jahren
  3. Kein Tumorbefall der mediastinalen Lymphknoten.

Diagnostisch wird vor einer Operation neben den auch beim Bronchialkarzinom üblichen Staging-Untersuchungen (siehe Kapitel 10) eine Thorakoskopie und eine Laparoskopie gefordert.
Die in den letzten Jahren in einigen Zentren nach der Operation zusätzlich verabreichte photodynamische Therapie der Rest-Thoraxhöhle (siehe auch Kapitel 13) hat eine hohe Sterblichkeitsrate (insbesondere Infekte und Herzinfarkte) und wird noch nicht routinemäßig eingesetzt.
Eine Bestrahlungstherapie ist angesichts der oft breiten Tumorausdehnung schwierig und ohne gesicherten Einfluss auf die Gesamtlebenszeit. Gelegentlich wird sie trotzdem zur Schmerzbekämpfung und auch adjuvant nach Pleuro-Pneumonektomie durchgeführt.
Auch die Ergebnisse der Chemotherapie (Kombinationen Cisplatin/Doxorubicin, Doxorubicin/Ifosphamid und einige mehr) sowie der Immuntherapie (Interferon gamma) sind enttäuschend.
Letztendlich bleibt es daher oft allein bei unterstützenden Maßnahmen wie Schmerzstillung und Entlastung und Verklebung von begleitenden Rippenfellergüssen (Pleurodese).

Die Prognose der Pleuramesotheliome ist mit und ohne Therapie schlecht, auch eine radikale Operation verlängert die Überlebenszeit durchschnittlich nur um einige Monate.
Die mittlere Überlebenszeit beträgt je nach Tumorstadium etwa 5 – 18 Monate, ein Langzeitüberleben kommt insbesondere beim epitheloiden Typ gelegentlich vor, eine Heilung ist extrem selten.
2. Karzinoide
Ungefähr 4 % aller Lungentumoren sind Karzinoide. Das Karzinoid ist wie das Bronchialkarzinom ein lungeneigener Tumor, der aber von einer speziellen Zelle, der neuroendokrinen Kulschitzky-Zelle des Bronchialepithels, ausgeht.
Die Symptome eines Bronchuskarzinoids sind vergleichbar mit denen eines Bronchialkarzinoms.
Im Rahmen der Diagnostik kommen ebenfalls die gleichen Methoden zur Anwendung wie bei einem Bronchialkarzinom.
Bronchoskopisch imponiert des Karzinoid typischerweise als rötlicher, kugeliger, polypenartiger und bei Berührung stark blutender Tumor. Es wächst häufiger (~ in 80%) als die übrigen Lungentumoren direkt in den großen Bronchien. Die sichere Abgrenzung von anderen Lungentumoren ist aber auch in diesem Fall nur mittels Gewebeentnahme möglich.
Darüber hinaus werden die üblichen Staging-Untersuchungen eingesetzt, einschließlich der Untersuchung anderer Organe und der Herz-Kreislauf-Lungen-Funktionsdiagnostik.
Karzinoide sind in ihrem Wachstumsverhalten unterschiedlich aggressiv (von fast gutartig bis extrem bösartig). Sie metastasieren nicht selten in angrenzende Lymphknoten. Fernmetastasen in anderen Organen kommen aber seltener vor als beim Bronchialkarzinom.
Die Therapie besteht wie beim nicht-kleinzelligen Bronchialkarzinom nach Möglichkeit in einer Operation entsprechend den vorgegebenen anatomischen Unterteilungen (Lobektomie, Bilobektomie usw., siehe Kapitel 11).
Auf eine Bestrahlungstherapie spricht das Karzinoid in der Regel wenig an. Auch die Ergebnisse der Chemotherapie sowie der Immuntherapie (Interferon gamma) sind schlecht.
Nach radikaler Entfernung ist die Prognose gut. Die 5-Jahres-Überlebens-Rate beträgt etwa 80 % und liegt damit deutlich höher als die von Bronchialkarzinomen.
Selbst bei metastasierendem Bronchuskarzinoid liegt die 5-Jahres-Überlebens-Rate noch bei etwa 20 %.
3. Sarkome
Sarkome sind Tumoren, die vom Weichteilgewebe (Mesenchym) ihren Ausgang nehmen. Innerhalb der Lunge können Bindegewebszellen, Knorpelzellen oder glatte Muskelzellen entarten.
Beschwerdebild und diagnostische Maßnahmen sind vergleichbar dem Bronchialkarzinom.
Die Operation ist die Therapie der Wahl. Nicht-operable Sarkome werden mit Bestrahlungstherapie und/oder Chemotherapie behandelt.
Die  Prognose ist schlecht. Die 5-Jahres-Überlebens-Rate beträgt insgesamt nur 5 – 25 %.
Es existieren noch einige weitere eigenständige bösartige Lungentumoren, die jedoch auf Grund ihrer extremen Seltenheit nicht aufgeführt werden.

B Gutartige Tumoren
  1. Bronchialadenome (gutartiger Drüsentumor)
  2. Chondrome (Knorpel-Geschwulst)
  3. Osteome (Knochen-Geschwulst)
  4. Fibrome (Bindegewebs-Geschwulst)
  5. Lipome (Fettgewebs -Geschwulst)
  6. Tuberkulome (oft verkalktes Narbengewebe nach abgeheilter Lungentuberkulose)
Bis auf Tuberkulome kommen die genannten gutartigen Lungentumoren selten vor.
Thymusdrüsentumoren (Thymome), Speiseröhrentumoren (Ösophaguskarzinome) und Lymphknotenkrebs (Lymphome) sind typische Tumoren des Mittelfell-Raumes (Mediastinums). Sie entstehen aber nicht innerhalb der Lunge aus lungeneigenen Zellen oder aus Rippenfell-Zellen.