05. Wie diagnostiziert man Lungenkrebs ?

Der Verdacht auf das Vorliegen von Lungenkrebs ergibt sich in der Regel auf 2 Wegen.
  1. Beschwerden der Atemwege oder des Brustkorbes führen dazu, dass die Person den Arzt aufsucht (siehe auch Kapitel 5).
  2. Im Rahmen routinemäßiger Röntgen-Untersuchungen (Röntgenreihenuntersuchungen in Betrieben, Röntgen-Thorax-Bild vor Operationen usw.) fallen zufällig Veränderungen in der Lunge auf, ohne dass bereits Beschwerden bestehen.

Letzterer Fall kommt nicht selten vor, da das Bronchialkarzinom oftmals erst in einem fortgeschrittenen Stadium Beschwerden macht und die Beschwerden zu Anfang nicht charakteristisch sein müssen (Abgeschlagenheit, Gewichtsabnahme, Nachtschweiß, Appetitlosigkeit, erhöhte Temperatur).

Die Abklärung folgt nach Möglichkeit einem festgelegten Schema, wobei die am wenigsten eingreifenden Untersuchungen zuerst durchgeführt werden.
Befunderhebung (Anamnese):
gezielte Fragen zu Beginn, Dauer und Schwere der Beschwerden, gegebenenfalls auch zum Beschwerdeort sowie zur Situation, in der diese auftreten,
Erfragung von Risikofaktoren (Nikotinkonsum, Beruf, Tumorerkrankungen in der Familie) sowie Begleiterkrankungen.
Körperliche Untersuchung:
dezidierter pulmonaler Untersuchungsbefund (Obstruktion, Pleuraerguss usw.), Lymphknotenvergrößerungen, Veränderungen an der Brustwand und den Knochen, Hautveränderungen, Nervenausfälle.
Blutuntersuchungen:
In der Regel wird ein Routinelabor (zumindest mit Blutbild, Leberwerten, Elektrolyten, Nierenwerten, Eiweißgehalt,  Blutkörperchensenkungsgeschwindigkeit und Eiweiß-Elektrophorese) bestimmt.
Zu den bei Lungenkrebs nachweisbaren Tumormarkern gehören:
NSE = Neuronen-Spezifische Enolase (bei kleinzelligen Bronchialkarzinomen)
SCC = Squamous Cell-Carcinoma (bei Plattenepithelkarzinomen)
CEA = Carcino-Embryonales Antigen (bei Adenokarzinomen oder Lungenmetastasen von Adenokarzinomen anderer Organe, z.B. Darmkrebs oder Brustkrebs)
CYFRA 21-1 = (bei nicht-kleinzelligen Bronchialkarzinomen)
Diese Tumormarker finden sich aber bis zu einem bestimmten Grenzwert auch im Blut gesunder Personen. In einigen Fällen finden sich sogar deutlich erhöhte Tumormarker-Werte, ohne das ein Tumor vorliegt. Daher ist die Bestimmung dieser Werte nur von begrenzter Aussagekraft und ersetzt keinesfalls die Durchführung der übrigen Untersuchungen.
Anwendung finden Tumormarker am häufigsten im Rahmen der Therapiekontrolle, wenn ein Abfall des Tumormarkers einen Therapieerfolg anzeigt oder der erneute Anstieg des Tumormarkers auf ein Wiederauftreten des Tumors hindeutet.
Eine neue Methode, welche nach Therapie den Verbleib von Tumorzellen im Körper erkennt und möglicherweise in Zukunft die Tumormarker-Bestimmung ablöst, ist der Nachweis von Tumor-Erbsubstanz im Blut (sogenannte zirkulierende extrazelluläre DNA)
Röntgen-Thorax:
Auf einer konventionellen Röntgenaufnahme in 2 Ebenen lassen sich krankhafte Veränderungen im Lungengewebe, aber auch am Rippenfell, am Zwerchfell, am Herzen, am Knochen und im Mediastinum erkennen.
Tumoren im Bereich der äußeren, Brustwand-nahen Lungenbezirke treten oft als rundliche Struktur auf und lassen sich etwa ab einem Durchmesser von 1 cm erkennen. Ähnliche Strukturen kommen aber auch bei anderen, gutartigen Lungenerkrankungen vor. Daher können auch erfahrene Untersucher zumeist nur eine Verdachtsdiagnose äußern, die dann mit Hilfe anderer Verfahren bestätigt werden muss.
Tumoren im Bereich der zentralen Lungenabschnitte, der sogenannten Lungenwurzel, werden in der Regel von anderen, normalen Strukturen (Gefäße, Lymphknoten) überlagert und lassen sich im Anfangsstadium oftmals nur schwer, manchmal auch gar nicht erkennen.
Bei unklaren Befunden hilft dann eine Computertomographie weiter.
Computertomographie des Thorax (CT):
Die Computertomographie ist im Rahmen der Diagnostik krebsverdächtiger Veränderungen der Lunge bis heute unverzichtbar.
Die Lunge wird schichtweise vom oberen Pol bis zum unteren Ende mit einer Schichtdicke von in der Regel 0,5 – 1 cm dargestellt (insgesamt 15 – 25 Schnitte). Jeder Schnitt wird auf zwei unterschiedliche Arten dargestellt (sogenanntes „Weichteilfenster“ und „Knochenfenster“). Außerdem erfolgt die Gabe von Kontrastmittel, wodurch einzelne Strukturen wie Lunge, Herz, Gefäße, Lymphknoten und Brustwand besser von krankhaften Veränderungen abgegrenzt werden können.
Der Vorteil der Computertomographie liegt in der sehr guten Beurteilbarkeit sowohl Brustwand-naher als auch zentral im Mediastinum gelegener Strukturen.
Tumoren sind mit dieser Methode etwa ab einer Größe von 0,5 cm zu erkennen.
Die Computertomographie ist neben der Bronchoskopie die entscheidende Untersuchung zur Beurteilung der Ausdehnung eines Tumors innerhalb des Brustkorbs (siehe auch Stadieneinteilung).
Tumortypische Veränderungen oder Dichtemessungen geben Hinweise auf die Ursache. Einen letztendlichen Beweis der Bösartigkeit von Veränderungen liefert diese Methode nur bei bereits sehr ausgedehnten, andere Organe zerstörenden Tumoren.
Magnet-Resonanz-Tomographie  bzw. Kernspin-Tomographie des Thorax (MRT):
Die Magnet-Resonanz-Tomographie oder Kernspin-Tomographie wird die Computertomographie als beste bildgebende Methode bei der Beurteilung vieler Organe (Muskeln, Gelenke, Knochen, Gehirn usw.) ablösen oder hat dies in einigen Bereichen bereits getan.
Lungengewebe und Lymphknoten lassen sich allerdings nach wie vor besser computertomographisch beurteilen, so dass hier die Computertomographie zunächst die Methode der ersten Wahl zur Beurteilung der Tumorausdehnung bleiben wird.
Wenn die Frage nach einem Einwachsen des Tumors in die Thoraxwand, das Mediastinum oder die Wirbelsäule/Rippen entscheidend für die Wahl der Therapie ist, bietet das Magnet-Resonanz-Tomogramm allerdings Vorteile. Es wird in diesen Fällen dann zusätzlich angefertigt.
Pleurasonographie:
Veränderungen innerhalb der Lunge lassen sich mit Ultraschall nicht darstellen, da Ultraschall-Wellen lufthaltiges Gewebe nicht durchdringen können.
Veränderungen am Rippenfell, die direkt der Brustwand anliegen (Pleuratumoren, Pleuraergüsse oder Bronchialkarzinome, die in die Brustwand einwachsen) lassen sich aber sehr wohl mittels Ultraschall nachweisen.
Sputumzytologie:
Da die Trefferquote gering und bei Tumorverdacht in fast allen Fällen auch eine Bronchoskopie erforderlich ist, kommt diese Methode eher in Ausnahmefällen in Betracht. (siehe auch Kapitel 18). 

Bronchoskopie:
Die Bronchoskopie ist die zentrale diagnostische Maßnahme.
Über die Hälfte aller Bronchialkarzinome sind mit dieser Methode direkt zu sehen.
Die Bronchoskopie ist in der Regel die entscheidende Untersuchung zur Feststellung des Gewebetyps und damit die Grundlage der Therapieentscheidung.
Aufgrund ihrer Bedeutung wird sie in Kapitel 7 gesondert besprochen.
Pleurapunktion:
Zeigen sich im Röntgen-Thorax-Bild oder im Thorax-Computertomogramm Veränderungen am Rippenfell (Pleuratumoren, Pleuraergüsse oder Bronchialkarzinome, die in die Brustwand einwachsen), so lassen sich diese gezielt punktieren.
Die Festlegung der besten Punktionsstelle erfolgt in der Regel Ultraschall-gesteuert, seltener mittels Computertomographie.
Es kann sowohl die Ergussflüssigkeit auf maligne Zellen untersucht werden als auch mittels spezieller Punktionsnadeln Gewebe vom Rippenfell oder direkt aus dem Tumor gewonnen werden (Biopsie nach Ramel, Trucut-Biopsie).
Komplikationen sind selten, als Hauptrisiken dieser Methode sind die Blutung (nach Verletzung eines Brustwand-Gefäßes) und der Pneumothorax zu nennen.
Thorakoskopie:

Eine weitere Möglichkeit zur Untersuchung des Brustkorbes mit der Möglichkeit zur Gewinnung von Gewebe ist die Thorakoskopie, die Spiegelung des Brustraumes.
Sie wird in Kapitel 8 separat besprochen.
Mediastinoskopie:
Diese Untersuchung wird u.a. zur histologischen Sicherung pathologischer Veränderungen des Mediastinums eingesetzt. Am häufigsten aber wird die Mediastinoskopie zur Klärung der Frage eines Tumorbefall angrenzender Lymphknoten bei bereits histologisch gesichertem Tumor durchgeführt.
Sie wird in Kapitel 11 ausführlich besprochen.
Neben den hier beschriebenen Untersuchungen zum Nachweis von Lungenkrebs sind zur Festlegung des Therapieverfahrens weitere Untersuchungen notwendig. So müssen andere Organe auf Metastasen untersucht werden und eine Überprüfung der Leistungsfähigkeit von Herz, Kreislauf und Lunge erfolgen (siehe Kapitel 10).
Nur in wenigen Fällen kommen alle oben genannten Untersuchungsverfahren zur Anwendung. Die Basisuntersuchungen sind das Röntgen-Thorax-Bild, die Computertomographie der Lunge sowie die Bronchoskopie. In weit fortgeschrittenen Fällen wird gelegentlich auf jede weitere Untersuchung verzichtet.
Kann auch mittels umfangreicher Diagnostik letztlich nicht geklärt werden, ob es sich bei der Veränderung um einen bösartigen Tumor handelt und sprechen die übrigen Untersuchungsergebnisse nicht gegen eine Operation, so erfolgt fast immer eine operative Klärung der Diagnose, um im Falle der Bösartigkeit die Chance auf eine Heilung nicht zu versäumen (siehe auch Kapitel 14).
In der Fachsprache spricht man in diesem Fall von einer „explorativen Thorakotomie„.